Der Frühling lag in der Luft; seine Präsenz war deutlich zu spüren, obwohl der Garten an diesem Morgen noch mit glitzerndem Weiß überzogen war - natürlich nur ganz leicht, mehr Raureif als Schnee. Es war ein schöner Anblick, aber Andrew schenkte ihm eine Beachtung, als eines der Hausmädchen die Vorhänge aufzog. "Es gibt gleich Frühstück, Sir.", merkte sie schüchtern an, ehe sie die Wäsche mitnahm, die nach unten in die Waschküche sollte. Er nickte, ohne den Kopf auch nur zu heben. Natürlich gab es gleich Frühstück. Es gab immer um diese Zeit Frühstück. Heute war ein schrecklicher Tag. Andrew hasste den Winter. Und irgendwo war er ihm auch wieder egal. Er legte den Brief beiseite, an dem er geschrieben hatte und erhob sich. Er war kein Mensch, der lange schlief, auch nicht, wenn nichts zu tun war. Als das Mädchen in seinem Bett aufwachte, warf er ihr ihr Kleid zu. "Ich will, dass du nicht mehr hier bist, wenn ich zurückkomme.", sagte er kühl. Er erinnerte sich gerade nicht an ihren Namen, aber wenn er so an letzte Nacht zurückdachte, dann würde es auch nicht nötig sein, ihn zu lernen. "Ich wünsche, dass du gar nicht mehr wieder kommst." Das Mädchen nickte. Hätte er sie sich ein wenig näher angesehen, hätte er vielleicht bemerkt, wie blass sie war. Wie verängstigt. Aber es war ihm egal, also achtete er nicht weiter auf so etwas. Auch wusste er nicht ihr Alter. Er vermutete, dass sie vielleicht an die 15 Jahre alt war, damit also an die zwei Jahre jünger als er. Andrew schloss die Tür hinter sich, als er auf den Flur trat, um sich auf den Weg zum kleinen Salon zu machen. Sein Vater erwartete ihn bereits.
Es war A****kalt. Auf dem Marktplatz herrschte bereits reges Treiben. Die Marktschreier priesen ihre Ware an, Hausfrauen gingen mit ihren Körben unter Arm einkaufen. Ein paar Reiter passierten die gepflasterten Straßen. Cambridge war bereits zu dieser Uhrzeit ein unruhiger Ort. Nicht so bunt und ruhelos wie London, aber annähernd so prachtvoll. Ein Junge, er mochte an die 17, vielleicht 18 Jahre alt sein.. vielleicht war er aber auch erst 16, lehnte an einer der alten Häuserwände und beobachtete die Menschen, die an ihm vorbei liefen. Sein Haar war von einem dunklen Blond und gelockt; es umrahmte ein Gesicht, das schon mehr gesehen zu haben schien, als es bei dem Alter seines Besitzers sein sollte. Luke - so war sein Name - rieb die Hände aneinander und ließ den Blick schweifen, auf der Suche nach einer schönen Taschenuhr oder einem offensichtlichen Geldbeutel. Aber eigentlich hatte er nicht vor, sich jetzt schon an die Arbeit zu machen.. nein, erst einmal wollte er etwas essen. Deshalb stieß er sich jetzt auch von besagter Wand ab und lief rüber zum Haus des Bäckers. Der war sozusagen ein Freund der Familie. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge, bester Laune, nur ein wenig fröstelnd. Das würde ein guter Tag werden, das wusste er. Die Bewohner der Stadt waren heute ausgebefreudig; der Frühling war am kommen.
Lily streckte sich genüsslich und stellte mit etwas Missmut fest, dass ihre Gelenke knackten. So alt war sie doch nicht gar nicht.. Aber kein Wunder eigentlich bei diesem Bett, dass den Namen Bett kaum verdient hatte. Es war klapprig, alt und vor allem war die Matratze kaum noch 5 cm dick. Doch was sollte man machen? Ein besseres Bett wäre teuerer, trotzdem überlegte sie, ob es nicht sinnvoller wäre, das Geld einmal zu investieren, denn im Moment, da tat ihr einfach nur der Rücken weh. Oh wie sie es hasste, wenn sie ihre Freier mitten in der Nacht einfach so auf die Straße setzten! Sie war schließlich keine dieser H***n, die sich Nacht für Nacht die Beine an gewissen Straßenecken in den Bauch standen und dabei auch noch schrecklich froren! Ihre Kunden waren da anders, zum Glück. Nicht, dass es irgendwie leichter, oder auch nur im geringsten angenehmer gewesen wäre… doch zumindest stand sie nicht im kalten, bekam ab und an guten Wein und erlesene Speisen, wenn einer ihrer Gönner gerade einen guten Tag hatte. Der von letzter Nacht hatte es nicht einmal für nötig gehalten, sie in seinem Bett schlafen zu lassen! So war sie noch gegen Mitternacht durch die Straßen gelaufen, die jetzt noch schweinekalt waren, egal wie viel Frühling war.. Und sie hatte in ihrem eigenen Bett schlafen müssen, das wirklich alles andere als bequem war. Sie gähnte und streckte sich erneut, bevor sie die Beine aus dem Bett auf den noch kälteren Bretterboden schwang, sich in der Wasserschüssel wusch, die sie hatte und dann in eines ihrer Kleider schlüpfte. Die Haare flocht sie nur notdürftig zusammen. Außerdem wickelte sie sich in ein schwarzes Schulterntuch, es war einfach noch zu kalt draußen. Sie warf einen kurzen Blick in den angelaufenen Spiegel, welchen sich die 3 Frauen teilten, die hier in dem Dachgeschosszimmer lebten. Ja, das rote Kleid stand ihr gut und es war vor allem warm. Ihre Stiefel waren nicht mehr die Besten, aber jetzt taten sie es schon, immerhin wollte sie nur kurz zum Bäcker und schauen, ob dieser noch etwas günstiges Brot, vielleicht von gestern hatte. Frisches Brot war Luxus und den brauchte in diesem Viertel kaum jemand, darum gab es hier keine Bäcker, sie musste ein Stück gehen. Der Wind pfiff durch die Gassen und die schöne junge Frau, der man ihre junges Alter kaum ansah war froh, dass sie doch auf ihre Kleidung geachtet hatte. Denn sie wollte Brot kaufen und nicht hinausgeworfen werden. Es war voll hier, der Frühling schien die Leute doch etwas früher aus den Betten zu locken. Gut, wirklich FRÜH war es nicht mehr, denn in ihrem Berufsstand, wo die Nacht zum Tag gemacht wurde, da konnte es sich Lily schon leisten auszuschlafen. Jetzt trat sie mit geröteten Wangen den Laden, der auch recht gut gefüllt war. Es war warm von dem Holzofen, in dem die Brote gebacken wurden Und es roch so herrlich.. Schnuppernd hob sie die kleine Stupsnase und schloss einen Moment die Augen.
Luke war bereits in dem Bäckerladen, als die Glocken bimmelten, die oben an der Tür befestigt worden waren, damit sich ein Besucher auch immer ankündigte, denn hinten in der Backstube hörte man nicht immer, wenn jemand rief. Er kannte den Laden gut und er kannte auch viele der Kunden und auch viele der Leute, die weniger bezahlten und denen Al trotzdem etwas zu geben versuchte. Der dicke Mann, der jetzt aus der Backstube kam und das junge Fräulein freundlich grüßte, war beinahe so etwas wie ein Vater für ihn. Ein Vater, den er niemals gehabt hatte.. er erinnerte sich nur zu gut an die Arbeit mit Teig und Mehl und wenn viel zu tun war, dann half er noch heute. Viel Zeit verbrachte er nicht mehr hier und das, obwohl er hier nahezu aufgewachsen war.. es zog ihn eben doch an, das Abenteuer, das Neue. Er war kein Mensch, der lange an einem Ort blieb. Aber Al, wie er so dastand und seine Kunden bediente, ein wenig Mehl an der Nasenspitze und die Hände in die Seiten gestützt - ja, das war sowas wie Heimat. Sein Blick streifte erneut das Mädchen und er besah es sich genauer. Es hatte die Augen geschlossen. "Nun, Mädchen, was kann ich für dich tun?" Als Stimme war tief und warm, fast wie ein gemütlicher Tag vorm Kamin. Jedenfalls stellte Luke sich das in etwa so vor. Er hatte noch niemals so dunkles, glänzendes Haar gesehen. Luke hob eine der Kisten an, die Al ihn gebeten hatte ins Lager zu schleppen, wohin er jetzt auch verschwand. Er erinnerte sich nicht, sie schonmal gesehen zu haben. Aber was hieß das schon? Luke war eben Luke. Immer überall und nirgendwo.
Sie erwachte aus ihrer Starre und es war ihr doch ein klein wenig peinlich, dass sie nur so dagestanden hatte, mit geschlossen Augen und die Wärme und den Duft genossen hatte. Jetzt öffnete sie die strahlenden Augen und verzog den roten Mund zu einem Lächeln. „Guten Morgen Meister Bäcker.. ich würde gerne etwas Brot kaufen. Ist denn vielleicht von gestern noch etwas da? Oder auch von..vorgestern?“ Fragte sie ein wenig zögerlich und kramte in den Taschen ihres Kleides nach den paar Münzen, die sie eingesteckt hatte. Eigentlich sollte es reichen, zumindest für Brot, aber sie hatte sich erhofft dafür auch noch etwas Käse oder Butter kaufen zu können. In der letzten Zeit hatte sie nicht so viel zwischen die Zähne bekommen. Sie hatte ja auch ausgaben, man sah nicht einfach so gut aus. Ihre Kleider mussten einen gewissen Standart wahren, immerhin waren manche ihrer Kunden Edelleute oder reiche Händler. Die wollten keine Frau in mottenzerfressenen Kleidern sehen. Sie hatte auch ein paar Schmuckstücke, keines davon mit echten Steinen.. aber zumindest erfüllten sie ihren Zweck, sie sahen gut aus! Und sie hatte neuen Puder kaufen müssen.. denn auch ihre Haut war nicht immer so perfekt, wie sie nach außenhin vielleicht vermuten lies. So war ihr nicht so viel geblieben, denn Miete musste gezahlt werden Und den Hauptlohn zog sowieso ihr Zuhälter ein. „Was würde das denn kosten?“ Fragte sie mit süßem Lächeln, denn der Bäcker war ja auch nur ein Mann.
Al lächelte leicht. "Nun wir werden sehen, was wir finden..Luke? Bring doch mal die Kiste ganz vorn mit.. mit den Resten!" Dann meinte er zu dem Mädchen, von dem er wusste, dass es um einiges jünger war, als man es vielleicht vermutete: "Sind schöne Sachen übrig geblieben, wirst schon sehen." Luke hörte ihn natürlich und brachte besagte Kiste mit nach draußen. "Danke, Junge." Er nickte leicht und schnappte sich eines der Bötchen, die unter anderem darin lagen. Sah alles noch sehr gut aus. "Bin dann weg. Miss.." Luke zog mit spöttisch-chamanten Grinsen einen imaginären Hut vor dem Mädchen, ehe er die Tür öffnete und wieder hinaus auf die Straße schlüpfte. "Bis dann." Al wandte sich rasch wieder der Kundin zu. "Schau was du magst, im Preis werden wir uns schon einig." Die Glöckchen bimmelten noch ein wenig nach.
Sie verzog den schönen Mund zu einem leicht ironischen grinsen, als er den nicht vorhandenen Hut zog, als wäre er ein Mann der besseren Gesellschaft und nicht ein Straßenjunge, wie er es wohl war. "Mein Herr" meinte sie mit einem Kopfnicken und sah dem Burschen über die Schulter einen Augeblick nach, eh der Bäcker wieder ihre ganze Aufmerksamkeit hatte. sie ging in die Knie um sich die Sachen genau zu besehen. Eigentlich vermutete sie hier nicht, dass er sie betrügen würde. Sie entschied sich für einen halben Laib dunklen Brotes, wohl Roggen oder ähnliches, auf jeden Fall noch nicht sehr ausgetrocknet, der etwas weiter unten gelegen hatte. Der sollte erst einmal genügen und wenn sie zu viel kaufte, dann wurden ihr die Sachen nur schlecht. Sie aß keine schimmelnden Sachen, wenn es sich irgendwie vermeiden lies. Denn eine Magenverstimmung in ihrem Gewerbe war unpraktisch. "Ich denke den werde ich nehmen..." sie zählte ein paar Kupfermünzen ab und sah den Bäcker fragend an "wäre das wohl genug?" gut, vielleicht wollte er noch ein oder zwei Münzen mehr, aber selbst wenn wäre das wohl kein allzu schlechter Preis. Solange er nicht viel mehr verlangte konnte sie auch noch Käse kaufen
Der Mann nickte leicht. "Schon gut so." Er nahm das Brot und packte es in Papier ein, gab es ihr dann und nahm dafür die Münzen. "So. Und einen schönen Tag noch!"
Luke begab sich mit einem schmalen Grinsen auf den Lippen wieder in die Menge. Als er einen Freund entdeckte, hob er die Hand zum Gruß. Oh ja, heute war ein guter Tag. Er biss zufrieden von seinem Brötchen ab.
Lily hatte das Brot eingepackt und den Bäckermeister noch einmal fröhlich angelächelt. Sie freute sich wirklich über das Brot, denn jetzt konnte sie schauen, ob irgendwo noch etwas aufzutreiben war, das sie drauf tun konnte. Sie verlies also die wohlriechende Wärme des Ladens, um wieder in der läuten Kälte der Londoner Straßen zu stehen. Sie schlenderte etwas durch die Stände, der hier aufgebaut waren. Es roch überall gut.. Sie kaufte schließlich etwas Butter und ein Stück Käse! Ja heute wollte sie wirklich gut essen. Außerdem noch 2 Äpfel. Von einem der beiden hatte sie gerade abgebissen und schmeckte die Süße der Frucht, als sie dem Burschen aus dem Laden wieder begegnete. "Oh mein Herr" meinte sie und deutete fast einen Knicks an, als er sie aus Versehen anrempelte "Passen sie mal lieber auf, sonst stolpern sie noch über ihre eigenen Beine" sie grinste ihn frech an, mit dem Korb in der Hand, in dem sie ihre Einkäufe hatte und in der anderen Hand den Apfel, von dem sie jetzt wieder abbiss
"Miss." Da war sie ja schon wieder. "Nun, ich denke, ich kann mir Schlimmeres vorstellen, als neben einer so hübschen jungen Dame zu Boden zu gehen." Er grinste frech, einen Arm leicht angewinkelt, aber unauffällig an seiner Westentasche, in der vor wenigen Minuten eine schöne Taschenuhr seinen neuen Platz gefunden hatte. "Aber wo bleibt meine Höflichkeit? Ich bitte um Verzeihung, Miss." Diesmal tippte er sich nur an den imaginären Hut.
"Weißt du Kleiner, sollte ich jemals zu viel Geld übrig haben, denken ich, das erste, was ich tue ist dir einen Hut zu kaufen" sie lachte gut gelaunt, denn das Lachen vertrieb auch ein wenig die Kälte aus ihren Gliedern. "Vielleicht siehst du dann nicht mehr ganz so albern aus, wenn du versuchst den Gentleman zu geben"
Kleiner? Nicht, dass er fast einen Kopf größer war als sie und sicher auch ein paar Jahre älter, aber nun gut.. Luke hob belustigt eine Braue. "Das Geheimnis ist, sich selbst nicht zu sehr ernst zu nehmen.", belehrte er sie. "Aber einen Hut hätte ich schon gern." Sein Blick fiel auf den Korb. "Und bei dir gibt es jetzt ein ausgiebiges Frühstück?"
Das war ja der Witz daran.. Es würde ihn ja kaum ärgern, wenn sie ihn Großer nennen würde. Sie warf einen kurzen Blick in den Korb, vergewisserte sich, dass auch noch alles da war! "Sieht so aus, oder? Brot, Butter, Käse.. alles da." Ihre Augen strahlten ein wenig in Vorfreude auf das Essen.