Andrew lachte leise
und es war ein warmes, raues Lachen,
eines, dass sie so wohl noch nicht
von ihm vernommen hatte.
Er hatte eine Hand in der linken
Hosentasche seiner dunklen Hose,
die andere hielt seine Bierflasche und das Jackett fest,
dass er sich locker über die Schulter geworfen hatte.
Es war warm und die Ärmel seines hellen Hemdes
waren hochgekrempelt und offenbarten schmale,
leicht muskulöse Arme, braun gebrannt von zahlreichen Ritten ins Grüne.
Sein dunkles Haar war etwas länger geworden in den letzten Wochen
und lag in dieser Nacht zerzauster, wirrer als sonst.
"Na, ich denke, da komm ich dann immer noch ganz gut weg.."
Frech blitzten seine Augen auf.
"Was machst du hier?"
Es war so ungewohnt,
sie so zu treffen, auf der Straße.
Ungewohnt, hier zu sein.
"Das wäre dann schon das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen."

"hm..." sie trat einen Schritt zurück.
Es war mehr als nur seltsam.
Sie trug ein einfaches Kleid,
das Haar war geflochten gewesen, doch jetzt war der Zopf schon etwas zerzaust.
Das Gesicht war so natürlich wie sonst nie,
keine Farbe, keine roten Lippen,
keine verführerischen dunklen Augen.
Sie sah einfach aus wie ein Mädchen.. ja vielleicht ein hübsches Mädchen,
aber doch wie ein Mädchen, dem man glaubte, dass sie 17 war.
"Ich war.. ich bin mir nicht sicher, was ich hier mache..
einen Fehler fürchte ich.
Aber My Lord, was tut ihr hier?"

Andrew schüttelte leicht den Kopf.
"Einen Fehler?
Hm..ja du bist allein unterwegs..
wo ist mein guter alter Freund?
Dein..Cousin?!"
Er lächelte amüsiert.
Sie war ungeschminkt, ganz und gar.
Das Kleid, das sie trug, war einfach,
so einfach, dass selbst die Bediensteten
im Palast besseren Stoff trugen als sie.
Ihrer Schönheit tat das aber an nichts nach.
Kurz sah es aus, als wolle er die Hand nach
ihr ausstrecken, aber er ließ es doch bleiben.
"Oh, wir suchen ein wenig Zerstreuung,
mischen uns unter das Volk.",
erklärte er mit Ironie in der dunklen Stimme.
Er grinste leicht.
"Lass das mit dem Titel,
sonst hab ich gleich noch wen an der Backe,
der meinen Vater kennt."

Unwillkürlich berührten ihre Finger die aufgeplatzte Lippe.
Ja, es tat weh, noch immer etwas.
Und geschwollen war es wohl auch noch immer, zumindest ein kleines Bisschen.
"Es stellte sich heraus, dass er weit weniger Gentleman war,
als man es wohl vermuten würde."
sie seufzte leise
"Und jetzt.. jetzt bin ich hier.
Und ich fürchte gerade hab ich es mir mit dem einzigen Menschen verdorben,
der mir hier in London helfen wollte.."
meinte sie etwas leiser.

Ganz unbewusst war er noch näher
getreten, berührte jetzt ihre Wange,
besah sich ihre Lippe.
Erst wollte er schimpfen über den Mann..
aber dann fiel ihm ein, dass auch er sie
schon geschlagen hatte und er schluckte das,
was er hatte sagen wollen, runter.
"Das klingt leicht verzweifelt,
zumindest bedrückt..
hast du dich gestritten, mit diesem Freund?
Und der Ire hat dich vor die Tür gesetzt?"
Sachte fuhr sein Daumen über die kaputte Lippe.
Er sah ihr in die Augen, während er mit ihr redete.
Die ganze Zeit.

Sie wich vor ihm zurück.
"Nein..nich.. anfassen bitte."
meinte sie leise.
"Ich sehe nicht so aus, dass.. ich.."
sie schüttelte den Kopf.
"tut mir Leid My Lord.."
entschuldigte sie sich gleich.
"Es ist seltsam mit euch so zu reden.
Ja wir haben uns gestritten, er wollte die Börse behalten."
meinte Lily warheitsgemäß.
Dass er sie auch geklaut hatte verschwieg sie.

Andrew ließ die Hand wieder sinken,
zog seinen Arm zurück.
"Hm..verstehe."
Er sah kurz gen Himmel,
wo wenige Sterne zu sehen waren,
selbst durch die Luft und den Mief Londons hindurch.
Als er wieder zu ihr sah, lächelte er.
"Dann wart ihr also das Paar,
das vor uns lief.
Er hat blonde Locken."
Andrew nickte leicht.
Er fuhr sich über den leichten Bart an seinem Kinn.
Sein Blick huschte wieder zu ihren Lippen.
Und er ertappte sich bei dem Gedanken,
sie an sich zu ziehen, sie zu küssen.
Sie mit auf sein Zimmer zu nehmen und
sie vor morgen früh nicht mehr raus zu lassen.
"Nun..und jetzt? Was wirst du tun?"
Er lachte leise.
"Ich..entschuldige. Ich bin etwas zu neugierig, was?"

Sie sah Andrew erstaunt an.
"Ja.. ja, das stimmt, er hat blonde Locken.."
schöne blonde Locken, durch die man mit den Fingern fahren konnte...
"Und jetzt ist er sauer.. und ich hab keine Ahnung was ich tun soll..
wenn ich ehrlich bin."
meinte sie und seufzte leise.
"Ich.. ich scheine nur noch Fehler zu machen.
Ich weiß nicht einmal, wo ich heute Nacht schlafen werde..
also mit einem Zehner sollte cih wohl hier in der Gegend schon ein Zimmer bekommen.. vielleicht."

"Ich weiß eines,
in dem du umsonst schlafen kannst."
Er sagte es nicht so anzüglich,
wie es klang, aber er lächelte leicht.
"Ihr kriegt das sicher geregelt,
dein Freund und du.."
Keine Spur von Eifersucht in seiner Stimme..
"..darf ich dich einladen?
Wein, Bier, Whiskey, Scotch..Milch..alles, was du willst."
Andrew grinste, deutete auf die Tasche,
in die er die Börse wieder geschoben hatte.
"Bin ja wieder reich, sozusagen.
Und ich habe schon genug getrunken.
Es kann also gut was für dich rausspringen."

Es klang anzüglich, ja.
Und sie dachte darüber nach.
Sie machte auch sonst die Beine breit dafür,
dass sie wohnen konnte und essen.
Aber normal trug sie schöne Kleider,
Schmuck.. und die Maske aus Schminke, hinter der sie ihr wahres Ich verstecken konnte.
"Das ist ein.. Scherz, oder?
My Lord ihr..."
sie schüttelte den Kopf.
"Es muss fast ein Witz sein..
ein Mann wie ihr läd mich zum trinken ein.
Dann passt mal auf, dass ich euch nicht unter den Tisch trinke."
sie lachte leise und streckte ihm die Hand hin.
"gehen wir hinein?"

"Ich bitte darum."
Andrew grinste,
nahm die Hand an und
zog sie in den Pub.
"Aber tu mir einen Gefallen
und erwähn das Wort mit L
heute Nacht nicht mehr.."
Sie wurden von den anderen empfangen.
Lily wurde vorgestellt,
als wäre sie eine wie sie.
Und sie sollte mitfeiern,
als gehörte sie dazu.

Nun die Männer gingen davon aus,
das Andrew mit seiner Charmanten Art wohl ein Mädchen aufgerissen hatte.
Immerhin taten sie es auch.
In der Schenke war noch recht viel los,
sie hatten wohl Glück gehabt.
Einige Mädchen waren auch da,
sie tanzten gerne mit den jungen Adligen,
denen man schon ansah, dass sie etwas besseres waren.
Lily ging davon aus, dass die Mädchen sie für Söhne von Kaufmännern hielten,
oder ähnliches. Mit etwas besserem rechnete man hier wohl kaum.
Das schöne Mädchen mit den dunklen Haaren saß bei ihnen und trank mit.
Sie hatte Spaß dabei und lachte über die Scherze, auch über die etwas derberen.
Einer der Männer nahm sie schließlich bei der Hand.
"Andrew du bist mir nicht böse, wenn ich sie dir für einen Tanz entführe?"
meinte er lachend und drehte Lily schon zum Tackt der Musik, denn die Musikanten spielten auf.

"Tu dir keinen Zwang an..
viel Spaß..",
meinte er, sah dabei aber Lily an.
Er beobachtete den Tanz bester Laune,
leerte sein Bier.
Als er selbst zum Tanz aufgefordert wurde,
kam er der Bitte natürlich nach.

Und schon wieder Tanzen..
Lilys Schuhe waren für so viel Tanz nicht geeignet.
Langsam taten sie weh.
Sie zog sie aus, als sie eine kurze Verschnaufspause machte und massierte sich die Füße.
"Oh elende Tanzerei." schimpfte sie und sie nahm eines der Biere,
die auf dem Tisch standen um einen Schluck zu trinken.
Es waren wohl eher die Schuhe als die Tanzerei,
die ihre Füße rot und aufgerieben machten.
Vielleicht sollte sie wirklich mit ihm gehen...
die Nacht auf der Straße zu verbringen, dazu hatte sie zu viel Angst vor der Stadt.

"Gibst du schon auf?
Und da sagt ihr immer,
wir vom Adel könnten keine Feste feiern.."
Seine Stimme war auf einmal da,
an ihrem Ohr..etwas atemlos klang er vom Tanzen.
"Komm..noch einen Tanz bevor
ich so viel getrunken hab,
dass ich sogar mit Richard hier tanzen würde.."
Er lachte und klopfte seinem Freund auf die Schulter.
Beide prosteten sich zu, aber nur Richard trank.
Andrew wusste doch sehr wohl,
wo seine Grenzen waren...
und er war schon stark dran.
Andrew hielt ihr die Hand hin.
"Bitte, Miss! Nur dieser eine Tanz!"
Zwei Stunden waren sie nun schon hier
und er brannte so unheimlich darauf,
sie zu berühren, zu küssen..
nie war sie schöner gewesen als an diesem Abend.
Nie interessanter.