Er wollte etwas sagen, aber er nickte nur mit einem matten Lächeln und berührte kurz ihren Arm, ehe er den Kram wieder nach draußen brachte. "Lass dir ruhig Zeit, ich hol dich ab, wenn alles fertig ist." Dann war er wieder weg.
Und sie fühlte sich schrecklich allein. So traurig und allein, und vorallem auch so abhängig von ihm. Ein Gefühl, dass sie garnicht mochte. Sie saß auf dem Bett, ein wenig in sich selbst gesunken, wie ein Häufchen Elend. "George? tun wir das richtige? fall ich dir nicht zur last?"
"Ich hab angst, dass ich alles nur noch viel schlimmer mache und vorallem hab ich angst, dass du ärger wegen mir bekommst" sanft tasteten ihre Lippen nach den seinen und jetzt küsste sie ihn wirklich zum ersten mal
Oh es kam Alice wie eine kleine Ewigkeit vor. Seit Tagen..Wochen JAHREN.. nun nein, natürlich war es noch lange nicht so lange her, seit sie von zu Hause weggelaufen war mit ihrem George. Sie waren wiklich in Wales bei bekannten von ihm untergekommen, und sie schliefen in einem Raum. Das war schön, auf der einen Seite, denn seine Wärme in der Nacht tat gut. Aber auf der anderen Seite fühlte sie sich.. bedrängt. Die Alpträume rissen sie wieder öffter mit sich hinab. Und auch sonst stellte sie fest, wie verwöhnt sie gewesen war. Das Essen war hier so viel einfacher, und sie musste mithelfen, musste kochen.. sie tat es gerne, doch ihr fröhliches Gemüt schien darunter zu leiden. sie lachte nicht mehr so viel, tanzte nicht mehr in der früh nach dem aufstehen durch den Raum. Sie küsste George auch kaum noch übermütig. und gerade jetzt, so kurz vor ihrem Geburtstag wusste sie einfach garnichts mehr. Sie wollte nach Hause! aber wo war das? Sie sehnte sich entsetzlich nach Stuart und Eliza.. und nach Fiona und der kleinen Isabell.. eigentlich nach allen.. Aber auch nach Liam.. der hätte sicher Rat gewusst.. und so seltsam es klang, sie sehnte sich auch nach George.. denn irgendwie war es so anders...jetzt
George gab sich wirklich die allergrößte Mühe. Aber je länger sie das hier gemeinsam durchstanden, ja mehr Tage vergingen, desto mehr wurde er sich bewusst, dass es falsch war. Dass sie - zumindest unter diesen Umständen - nicht zusammen gehörten. Dass es anders war. Wenn er versuchte, sie zu umarmen, dann schob sie ihn sanft fort oder sie erwiderte die Umarmung einfach nicht. Sie war unglücklich. Sie aß weniger. Und das machte ihn natürlich wiederum unglücklich.. Die Stimmung war nicht gerade auf dem Höhepunkt.
Der Ball fand ohne Liam statt. Natürlich. Was sollte er da auch ohne Alice? Auch saß er nicht mehr am Klavier. Eigentlich kam er sogar gar nicht mehr aus dem Haus. Sein Vater war ohne ihn abgefahren, weil er hoffte, dass sie einfach i-wann ohne Vorwarnung wieder vor dem Anwesen stehen würde.. natürlich tat sie das nicht. Langsam fand Liam sich innerlich damit ab; er redete sich ein, schon an dem Abend mit ihr abgeschlossen zu haben, an dem sie ihn verlassen hatte. Wenn man das so sagen konnte. In fünf Tagen hatte sie Geburtstag. Wo sie jetzt wohl war? Der Herbst färbte die Bäume langsam bunt. Das Geschenk für sie lag in einer Schachtel unter seinem Bett. Er ertappte sich bei der Idee, sie im Kaminfeuer zu verbrennen.
Sie entfernte sich immer mehr von ihm und das wusste sie natürlich auch. Doch es war nicht ihre Schuld, auch wenn sie sich die Schuld daran gab. Es war ihre Vergangenheit, die sie nicht in Ruhe lies, die sie nicht schlafen lies. Seltsame Schattengestallten tauchten in ihren Träumen auf, die sie schlugen, sie bespuckten und beschimpften. Die ihr die Kleider vom Leib rissen und gierig überall betasteten.. Jede Nacht wachte sie von den Bildern auf. Von Männern, die ihr auflauerten, und sie mit sich rissen, weg von George, der sie nicht daran hindern konnte. Und sie überkam auch die Angst, dass George es auch wollte… irgendwann. Es wäre schließlich nur natürlich, wenn er mit ihr schlafen wollen würde, aber sie schaffte es nicht einmal, sich nackt vor ihm zu zeigen. Jede Nacht, die sie bei ihm schlief, in seinen Armen, fühlte sie sich zwar beschützt, doch wenn er sich im Schlaf bewegte, wenn er in seiner Umarmung ihre Brüste berührte, dann wurde ihr fast übel von der kleinen Berührung. Sie wollte nicht, dass er sie anfasste, ganz gleich in welcher Art und Weise. Einfach alles war ihr unangenehm und es schmerzte sie sehr, zu sehen, dass sie ihn mit ihrer Ablehnung verletzte. Sie wollte sich in die Badewanne legen, die schöne Wanne, die sie im Haus der VanBrooks gehabt hatte, sie wollte alles dunkel machen und nur Kerzen brennen haben. Und viel duftenden Schaum, der sie ganz einhüllte. Unter Wasser tauchen und einfach nur beschützt und ganz umhüllt von Wärme wollte sie sein. Wollte sich in die einzigen Arme flüchten, die sie jetzt ertragen würde, die einzigen Lippen auf ihrer Stirn fühlen, die ihr jetzt Trost spenden konnten. Mehr als alles in der Welt wollte sie bei Stuart sein. …………. …. Und bei Eliza.. Das bemerkte sie mit etwas erstaunen. Es war nicht nur ihr Vater, nach dem sie sich schmerzlichste sehnte. Natürlich es waren seine starken Arme, von denen sie umgeben sein wollte, Seine Lippen die sie tröstende Worte flüstern hören wollte, aber es war mehr.. ihre Mutter war ihr ebenso ans Herz gewachsen, wenn sie des Nachts zu den Beiden ins Bett gekrochen kam. Es waren beide die sie vermisste, auch wenn sie sich sicher war, dass Eliza alleine ihr nicht gereicht hätte. Auch wenn das schon sehr vieles besser gemacht hätte als es jetzt war. Ihr Brief würde noch viel zu lange brauchen, bis er bei ihrem Vater angekommen war. Und in ihm stand auch nichts von den schrecklichen Seelenqualen, die sie jetzt erleiden musste. Zitternd und in eine dicke Decke gehüllt saß sie auf dem Bett, das sie und George sich teilten. Vor ihr stand immer noch das Mittagessen, dass sie eigentlich essen sollte. Sie hatte schon zum Frühstück kaum gegessen, aber auch jetzt brachte sie einfach nichts herunter. Nicht dass es nicht schmeckte.. nein es war gut, doch jeder Brocken reizte ihren Hals und sie war der festen Überzeugung sie würde es erbrechen.
George saß ihr gegenüber am Tisch, das Kinn auf die Handflächen aufgestützt, die Ellenbogen auf dem rauen Holz. Sie schienen seit einer halben Ewigkeit hier zu sitzen und sie tat ihm so unendlich Leid und es war schrecklich, so unfähig zuschauen zu müssen. "..du hattest heute Nacht wieder Albträume, nicht wahr?", murmelte er leise. Er wandte jetzt den Blick von ihr ab und sah nach draußen, denn sie schien es meist auch nicht mehr auszuhalten, ihm nur direkt in die Augen zu sehen.
"Ich.. ja.. sie kommen jetzt fast jede Nacht. Tut mir leid, wenn...wenn ich dich aufwecke dadurch.. ist es sehr schlimm?" sie lies das Besteck auf den Teller sinken und sah zu ihm. musterte die tiefen Sorgenfalten auf seiner Stirn. "George.. es tut mir alles so Unendlich leid" meinte sie leise und traurig, aber man hörte auch, dass sie es ehrlich meinte
"Tust du nicht. Es muss dir doch nichts Leid tun.", meinte er nachdenklich. Er sah kurz zu ihr. "Alice ich..ich denke, du solltest wieder zurück nach London." George schluckte, aber seine Stimme war relativ fest. Das hier tat ihr nicht gut und bei den VanBrooks hatte sie wenigstens ein weiches Bett und ein großes Bad und gutes Essen und einen Kamin und ihre Kleider..
"Kommst du denn mit mir?" flüsterte sie leise, Tränen in den Augen "Ich will nicht alleine gehn.. Ich will, dass es wird wie früher.. Ich will mit dir lachend am Ufer der Themse sitzen und einfach nur glücklich sein!"
Sie sind vermutlich noch nicht im Forum angemeldet - Klicken Sie hier um sich kostenlos anzumelden
Offline
