Sie zog das Kleid wieder an, strich darüber und seufzte. Ja, es wäre schon wirklich schöner wieder ein Kleid zu haben, dessen Stoff weich und fließend war, sauber und einfach nur schön. Ein Kleid in dem man sich wie eine Prinzessin fühlen konnte. War ein Kleid es wert? ein Kleid, ein sauberes Bett... aber doch wieder Camebridge, doch wieder Hank.. Nachdenklich kam sie wieder zu Andrew. Gestern war sie sich so sicher gewesen..
"Alles in Ordnung bei dir?" Er legte den Kopf schief. Andrew saß schon am Tisch, wo man ihnen beiden ein schönes Frühstück serviert hatte. Der Bedienstete war schon wieder verschwunden.
Sie zuckte mit den Schultern und sah ihn etwas schuldbewusst an. "Ja, ist schon alles in Ordnung. Ich bin nur etwas in Gedanken." sie setzte sich und nahm sich ein wenig Ei. "Ich habe Angst vor Hank." gestand sie leise.
Andrew, gerade seine Teetasse an die Lippen führend, hielt in der Bewegung inne. "Aber du..wolltest doch schon wieder zurück, nicht?" Er runzelte die Stirn. "Du hast Angst, dass er wütend ist. Natürlich.."
Lilys Finger trommelten leicht auf der Gabel herum. "Ja ich will.. ich.." mit leisem Seufzen schüttelte sie den Kopf und senkte den Blick einen Moment. "Es ist einfach ein großes Risiko. Ich bin kein Freund von Risiken.."
"Verständlich..", murmelte er nachdenklich und mit einem Nicken. Er konnte sich nur schwer in sie hineinverstzen, war er doch in ein Leben voller Privilegien und Reichtümer hineingeboren worden.. "Was also kann ich tun?"
Nachdenklich zuckte Lily mit den Schultern. Was konnte er tun? Ihr versprechen, dass alles gut wurde? Sie mit Reichtümern überhäufen? "Nichts. Du tust genug für mich Andrew. Allein die Nacht in so einem weichen Bett zu verbringen war unglaublich schön. Ich hab lange nicht so gut geschlafen." Lily versuchte es mit einem Lächeln. "Es wird sich schon alles wieder irgendwie einrenken."
"Ja, Luke.." sie nickte und seufzte. "Das ist auch schlimm. Ich hab wirklich Angst davor." sie schwieg eine Weile und sah auf ihren Teller. "Andrew..? Wie sagt man einem Mann, dass man ihn verlässt..?" flüsterte sie leise.
Andrew musste einige Zeit darüber nachdenken. Schließlich sagte er recht grüblerisch: "Sicher bin ich da der Falsche für solche Geschichten.. schließlich bin ich ein Mann und ich kam nie in die Bredrouille, einen verlassen zu müssen.. und auch die Frauen verlasse ich nicht, ich entlasse sie höchstens.." Er kratzte sich am Kinn; ohne ein sonst so typisches Grinsen dabei. "..aber ich gebe dir trotzdem einen Rat: Sei ehrlich. Und wenn es wehtut. Sag die Wahrheit." Er stellte seine leere Tasse ab und betrachtete sie stumm; sah den Konflikt in ihr.
Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken. Ja, sie hatte einen Moment lange wieder vergessen, wer Andrew war. Er hatte es ja selbst gesagt.. einer der mächtigsten Männer Englands Natürlich verließ ihn keine Frau und er wurde sie eben los, wenn sie ihm lästig wurden. Wer wusste schon, ob ihr das nicht auch irgendwann passierte. "Ja, du hast wohl Recht.." nachdenklich nippte sie an ihrer Tasse. Ein wenig missmutig Lächelte sie. "Ich bin ein Angsthase, wenn es um sowas geht. Aber da muss ich wohl durch." Das Frühstück neigte sich dem Ende zu und bald würde sie gehen. Zurück gehen zu Luke, der auf sie wartete, sich Sorgen machte, oder sauer war.
Luke wartete tatsächlich. Nicht wirklich; nur so halb. Und doch so sehr. Wie seit Wochen schon. Er war ja nicht dumm; natürlich wusste er, dass etwas nicht stimmte. Nur was; das wusste er eben nicht. Natürlich war ihm aufgefallen, dass sie sich von ihm distanzierte.. natürlich war ihm aufgefallen, dass sie sich in die Arbeit stürzte, um..ja..um was? Um nicht länger als nötig bei ihm zu sein? Aber geredet hatte sie nie mit ihm; schon, das vielleicht..aber nicht wirklich zu ihm. Luke hatte es stumm hingenommen - unglücklich mit der Situation, aber ratlos und auch verletzt. Was ihm am meisten zu schaffen machte, war aber, dass sie so unglücklich zu sein schien. Bei ihm. Dabei hatte er sie doch glücklich machen wollen. Er saß unten auf den Stufen, die zur Haustür führten, dort, bei Staub und Schmutz, wo er hingehörte, als Lilly wiederkam. Er hob nur den Kopf und sagte nichts, als sie um die Ecke erschien.
"..ich höre von dir?!" Es war eine Frage, eine wahre Frage. Kein versteckter Befehl.. höchstens eine Bitte. Andrew küsste sie nicht zum Abschied; es hätte nicht gepasst. Und doch hätte er es so gern getan.
"ja.. wir sehen uns wieder." meinte sie leise, lächelte zum Abschied. Der Weg zu Luke war hart, jeder Schritt in seine Nähe machte den nächsten Schritt schwerer. Ihre Beine fühlten sich an wie Blei. Schließlich stand sie an der Hausecke und sah ihn dort sitzen. Schwer schluckte sie, eh sie kleinlaut um die Ecke schlich und ihm schuldbewusste Blicke zuwarf. "Guten Morgen... hast du.. gut geschlafen?" murmelte sie leise und setzte sich zu ihm. "tut mir Leid, dass..naja, dass ich weg war die Nacht.."
"Du bist mir keine Rechenschaft schuldig, schätze ich.", meinte er und blinzelte zu ihr hoch - die Sonne schien, was gar nicht zu diesem Tag passte. Es hätte schütten oder stürmen sollen. "Aber ich wünsche dir auch einen guten Morgen. Ich lag in einem leeren Bett. Wie war deine Nacht?" Er sagte es ohne Vorwurf in der Stimme.. es klang viel mehr müde, resigniert. Sein Blick lag ruhig und abwartend auf ihr, während er sich durch die blonden Locken fuhr.
"Meine Nacht war.. unerwartet." Ja, das war sie wirklich gewesen, denn sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht mit Andrew. "Ich hab viel nachgedacht Luke..." sie seufzte leise und unterdrückte das Bedürfnis sich an ihn zu kuscheln. "Und ich habe beschlossen, dass..." sie presste die Lippen aufeinander. Vielleicht sollte sie es einfach kurz und schmerzlos machen. "Ich werde nach Cambridge zurück gehen. London ist einfach nichts für mich..." sie sah auf ihre Fußspitzen. "Es tut mir unendlich Leid."