Sie nickte und eh er sie sich hier wieder bedienen konnte schenkte sie sich Tee ein. "Tee ist immer gut. Und dieser hier riecht toll." Manchmal brachte Luke Tee mit.. wo er ihn her hatte wollte sie immer nicht so ganz wissen. "Luke ließt auch gerne." teilte sie ihm mit, weil sie es irgendwie für richtig hielt. "Manchmal, wenn wir zusammensitzen, dann hat er versucht es mir bei zu bringen." Leicht verzweifelt lächelte sie. "Eines der vielen Dinge, die er für mich tut.."
Andrew erwiderte ihr Lächeln, merkte aber, dass es sie quälte. "Nett von ihm.." Eine Weile lang tranken sie schweigend ihren Tee. Interessant, dass der Bengel lesen konnte..ungewöhnlich. "Lily", meinte er schließlich. "Lily, ich hatte gedacht, er würde dich glücklich machen..aber heute Nacht finde ich dich in einer dunklen Gasse und du siehst alles andere als glücklich aus.." Besorgt musterte er sie.
"Es ist nicht seine Schuld!" war das erste, was schnell aus ihrem Mund geschossen kam. Nein, Luke konnte doch nichts dafür... "Es ist meine.. nur allein meine." kopfschüttelnd sah sie auf ihre Tasse. "Luke tut alles für mich. Er arbeitet hart, sucht immer wieder neue Jobs für mich. Ich glaube es gibt nichts, was er nicht tun würde. Das Problem... ja, das Problem bei der Sache bin ich." Jetzt erst hob sie den Blick und sah Andrew in die Augen. "Ich liebe ihn.. er ist mir unglaublich wichtig.. aber ich.. ich liebe ihn wie meinen großen Bruder."
Andrew erwiderte ihren Blick sanft. "Und..er liebt dich, wie ein Mann eine Frau eben liebt..verstehe." Er nickte leicht. Komisch, dass er den Seelsorger spielte.. Er zögerte, fragte dann aber doch: "Wieso redest du nicht mit ihm darüber? Es kann nicht in seinem Interesse sein, dass du so unglücklich bist.. ich meine..wenn du ihm so wichtig bist, wie er es behauptet dann.." Ja, was dann? "..Lily, vielleicht solltest du London wieder verlassen. Vielleicht solltest du zurück nach Camebridge kommen." Er sah sie nicht an bei den letzten Worten.
Leise lachte sie auf, als er ihr vorschlug zurück zu kommen. "Eigentlich sollte ich froh sein, das Hank mich hier noch nicht gefunden hat.. aber wenn ich zurückgehe.." sie schüttelte den Kopf. "Nein. Weißt du wie viele Mädchenleichen irgendwo in der Cam treiben..? Was denkst du passiert mit Huren, die abhauen, bevor ihre Schulden abbezahlt sind? Ich wäre tot, bevor ich ganz in Cambridge wäre... wenn nicht schlimmeres." Lily sah ihm in die Augen, verkniff sich das spöttische Lächeln, denn er war ein Lord.. was wusste er von den Verbrechen in den schmutzigen, armen Vierteln seiner Stadt? Sicher nur die Hälfte, wenn überhaupt. Meistens kamen die Polizisten nicht einmal, wenn man eine Hure aus dem Fluss zog.
Andrew schwieg, dachte über ihre Worte nach. Shcließlich meinte er: "Also..wirst du bleiben? Für immer? Obwohl du ihn nicht liebst? Wirst mit ihm Wohnung und Bett teilen im Wissen, dass du es besser haben könntest?" Er runzelte die Stirn.
"Besser? Was..könnte denn besser sein? Ich meine, wenn wir ehrlich sind: Mein Gesicht wird nicht ewig so aussehen, und keiner will eine alte Hure." Harte Worte aber es war die Realität, der sie sich gegenüber sah. "Aber es ist nicht fair ihm gegenüber. Er hat es nicht verdient..."
Andrew stellte seine Tasse ab, schwieg sehr lange, während sie weiter das verteidigte, was sie hatte und das schlecht redete, was sie niemals haben würde.. "..er hat es genauso wenig verdient, von dir in Unwissen gelassen zu werden.. was, wenn er dich heiraten will, Lily? Kinder, ein Haus? Was wenn er denkt, du empfindest das gleich wie er? Was, wenn er plant und macht und tut und du ihm nicht das geben kannst, was er dachte, was du ihm geben wirst? Es tut euch beiden doch nicht gut..", murmelte er.
Er hatte Recht. Natürlich hatte er Recht. "Ich weiß.." murmelte sie kleinlaut vor sich hin. "Das ist der Grund, wieso ich allein Nachts durch London laufe." Sie nahm einen großen Schluck aus ihrer Tasse um ja nichts mehr sagen zu müssen. Mit großen Augen und hilflosem Blick sah sie ihn an, als würde von ihm eine Lösung für alle Probleme kommen. "Ich komme mir so schäbig vor. Ich meine.. ich hab nie ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn ich Männer ein wenig geschröpft hab." Ein wenig schuldbewusst sah sie ihn dabei an, gehörte ja auch er zu diesen Männern. "Aber es ist Luke.. er hat nichts, er ist nichts.. naja, außer ein lieber Kerl. Und trotzdem bin ich nicht zufrieden. Ich meine ich vermisse dumme Dinge wie Badezusätze!" Mit den Händen bedeckte sie ihr Gesicht. "Das ist so schäbig"
Andrew seufzte. "Ihr kommt eben doch aus verschiedenen Welten..so seltsam das auch klingen mag.." Er schenkte ihr noch Tee nach. "Bleib doch hier heute Nacht. Und dann denken wir uns was aus.."
"Danke.." Was sie sonst noch hätte sagen können wusste sie nicht. Sie war ihm einfach nur dankbar, dass es ihn gab. Ihr Blick wanderte durch den Raum. Es gab hier ja nicht nur ein Bett, auch andere Möbelstücke, auf denen sich schon schlafen ließ. "Aber ich will dich nicht um deinen Schlaf bringen. Du hast sicher Termine morgen."
Andrew zuckte die Achseln. "Das macht gar nichts.." Er hatte ohnehin nicht wirklich etwas vor. "..ich werde in ein paar Tagen abreisen.. viel habe ich nicht mehr zutun." Er machte eine ausladene Geste. "Fühl dich ganz wie zu Hause."
Das nahm sie sich doch gleich zu Herzen und klaute sich einen der Kekse, die in einer teuer aussehenden Glasschale. Wer könnte so einer Köstlichkeiten auch wiedererstehen? Vor allem, wenn einem eh immer der Magen knurrte.. "naja, dann werde ich wohl bleiben. London ist schließlich nicht ungefährlich." Sie überlegte einen Moment ob sie ihn bitten sollte sie einfach nach Cambridge mitzunehmen.
"Wie recht du hast..", murmelte er Stirn runzelnd. "Lilly..tu mir einen Gefallen, und bring dich nicht weiter so in Gefahr.." Er war wohl kaum in der Position, sie um so etwas zu bitten.. das wusste er ja.. aber..nun ja, er versuchte es dennoch.
Sie schmunzelte und schüttelte den Kopf. "Was wäre das Leben ohne etwas Gefahr? Ich denke manchmal, vielleicht wär es das Beste, wenn mir irgendwas passiert. Dann..dann wäre es vorbei." Sie nahm sich noch einen Keks. "Oh sind die gut! Ich denke für sowas lohnt es sich wohl vorsichtiger zu leben"