Luke merkte das so gar nicht. "Lily kommt nicht aus London. Jetzt wohnt sie bei mir.", erklärte er bester Laune. "Wir hätten gern was zu trinken.." Er sah Lily fragend an. "Was möchtest du haben?"
"Hm.. Wein wäre gut denke ich? Oder..Wasser?" sie wusste nicht, wie viel Geld er bei sich hatte. und erst recht nicht ob es klug war Alkohol zu trinken.
"Wir haben auch Milch Schätzchen!" kam es schnippisch von der Anderen und Lily wusste, dass sie gehasst wurde. Es war seltsam diese junge Frau zu sehen, die ganz eindeutig mehr von Luke wollte als ihn nur zu bedienen. Vielleicht war sie ja verliebt in ihn... vielleicht auch nicht. Was lily wirklich beunruhigte war die Tatsache, dass sie nicht so eifersüchtig war, wie sie es gerne gewesen wäre. Irgendwie war es gut, dass es diese Frau gab... Sie war sich nur nicht sicher wieso. " dann dich lieber Wein, falls du es denn schaffst uns einen Krug zu bringen." meinte sie etwas zickig, weil.. Ja weil sie irgendwie das Gefühl hatte so reagieren zu müssen.
Und so bekamen sie beide ihren Wein. Luke, der nichts von dem, was da in Lily vorging, mitbekam..wusste..dachte, sie würden einen schönen Abend haben. Und Lily, die vielleicht doch anders hätte entscheiden müssen..
Und noch ein anderer trank Wein an diesem Abend: Der junge Lord of Camebridgeshire saß in einem Sessel vor seinem Kamin, ein Buch auf dem Schoß, und nippte an einem sehr viel edleren Tropfen als die beiden ihn jemals hätten bezahlen können.
"..ich wusste garnicht, dass du eine Verehrerin hast." meinte sie und nippte an ihrem Wein. "Aber eigentlich hätte ich es mir denken können. Du bist ein echt gutaussehender Bursche Luke... die blonden Locken ziehen sicher viele Mädchen an"
Es war kalt.. aber London war eigentlich immer irgendwie kalt, zumindest am Abend. Trotzdem lief Lily weiter, denn zurück zu gehen würde bedeuten bei Luke im Bett zu liegen. Es würde bedeuten seinen Atem zu hören. Zu hören, wie er schlief, weil er erschöpft war von der Arbeit, die er auf sich nahm um ihr Leben zu finanzieren. Sie würde seinen Herzschlag hören und Schuldgefühle haben. Schuldgefühle, weil sie ihn nicht liebte, so wie er es tat. Weil sie ihn wohl mehr ausnutzte als jeden Freier, den sie je gehabt hatte, obwohl er ihr viel bedeutete. Es war nicht so, dass Luke ihr egal was. Sie liebte ihn nur eben nicht.. nicht wie man einen Liebsten liebte.. eher wie einen Bruder. Jedes Mal, wenn er ihr näher kam, dann war es ihr unangenehm. Zwar überwand Lily sich und versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber er kannte sie zu gut. Sicher wusste er es, und selbst wenn nicht hatte sie Schuldgefühle deswegen. Darum lief sie lieber die halbe Nacht durch die Straßen.. Zuerst hatte sie versucht eine Arbeit zu finden, in einer Bar vielleicht, wo sie spät Nachts erst nach Hause kam. Aber nichts war wirklich gut, nichts was passend…oder sie war nicht passend. Darum lief sie.. egal bei welchem Wetter. Fast war es besser, wenn es kälter war, dann fühlte sie sich besser, weil es dann wie eine Strafe war… weil sie Luke so hinterging. Sie wusste, dass die Straßen Londons nicht ungefährlich waren und nachts schon garnicht. Sogar ein Messer hatte sie dabei, für den Notfall… aber laufen musste sie einfach. So lange laufen, bis sie durchgefroren war, ihr die Beine wehtaten und sie so müde war, dass sie sofort einschlief, wenn sie sich neben Luke ins Bett legte. Kein Atem.. kein Herzklopfen… und mit viel Glück auch keine Träume…
Luke war unglücklich, aber er wusste sich auch nicht zu helfen. Und wieder schlief er ohne sie in seinem Bett. Und träumte schlecht.
Andrew hatte die letzten Wochen, ja sogar schon Monate, mit viel Arbeit verbracht. Das erste Mal seit langem war er nun wieder in London unterwegs - und hätte sich eine schlechtere Zeit wohl kaum aussuchen können, denn es war ein verrückter in den Straßen unterwegs.. man hatte ihn bereits gewarnt. Aber es half ja nichts, die Geschäfte machten sich nicht von selbst.. Hoffentlich ging es Lilly gut.
Sie schniefte.. ihre Nase lief.. London war eben doch kälter als Cambridge. Mit dem abgenutzten Ärmel ihres Mantels wischte sie sich durchs Gesicht. Es war nicht so viel geblieben von der gutaussehenden, herausgeputzten Liebesdame. Die meisten Kleider hatte sie verkauft, dafür einen Schal, einen Mantel, eine Decke… praktische Dinge gekauft. Auch die Schminktiegel waren leerer geworden und sie hatte aufgehört sich zu schminken. Am meisten fehlte ihr das Parfüm. Sie roch jetzt wie London.. etwas schmutzig, etwas nach Ruß und nach Regen. Doch immer noch achtete sie darauf, dass ihre Haare gekämmt waren und ordentlich geflochten. Sie hatte hier Frauen gesehen, deren Haar schmutzig und verfilzt war.. schrecklich! Aber es hatte auch Vorteile, denn jetzt wo sie ein wenig schmutzig war und ihre Kleider schlicht und am Saum voller Schlamm, da hielt sie kein Mann mehr auf. Nur dieser verrückte Mörder, der durch die Straßen schlich.. der würde sie vielleicht trotzdem aufhalten. Sie lief schneller als sie Schritte hinter sich in die Gasse biegen hörte…
An diesem Abend hatte er sich nicht vom Kutscher abholen lassen. Er hatte einen alten Freund besucht und beschlossen, allein zu gehen. Jugendlicher Leichtsinn? Abenteuerlust? Weder noch. Nur der Bedarf nach Zeit. Eigener Zeit, Zeit für sich allein.. zum Nachdenken. Und so lief der junge Lord von und zu Camebridgeshire durch die Gassen (und hatte vielleicht etwas die Orientierung verloren), aber er trug eine Waffe bei sich und war ein junger, gesunder Kerl. Er runzelte die Stirn, als er das Klackern von Absätzen auf Kopfsteinpflaster vernahm. Lief da vor ihm eine Frau? "Miss?"
Sie saugte die Luft ein, als er sie ansprach. Es war ein Mann.. in der stille der Nacht hatte sie seine Stimme gut vernommen, doch er war noch zu weit weg um sie zu erkennen...zu wissen, wer sie da ansprach. So lief sie lieber noch schneller, hörte seine Schritte hinter sich. Immer schneller wurden ihre Schritte und sie sah schon die nächste Straßenecke. Vielleicht war das ihre Chance.. denn selbst wenn der Kerl ein normaler Mann war und kein Verrückter, dann gab es nicht viele Möglichkeiten, wieso er sie ansprach. Nun gut..es gab wohl auch nicht viele Möglichkeiten, wieso eine Frau allein um diese Zeit unterwegs war.. Lily eilte um die nächste Ecke und sah sich um. Auch das hier war nur eine weitere dunkle Gasse, keine Lichter in den Häusern, keine Taverne, kein offener Platz. Nur eine von vielen wilden Müllkippen war hier. So schnappte sie sich das nächste, was sie fand: Ein Stück, das aussah wie ein Stuhlbein, und wohl auch einmal eines gewesen war. Dieser Kerl würde sie schon in Ruhe lassen.. falls er sie weiter verfolgte. Im Dunklen drückte sie sich an eine Hauswand und wartete, ob er ihr wirklich folgte und in die Gasse einbog.
"Miss, mit Verlaub.. es ist wirklich nicht die Uhrzeit, in der eine Frau auf den Straßen sein sollte..London bei Nacht ist gefährlich.." Sie war weg. Gut..dann eben nicht. Andrew zog sich den Mantel enger um seinen Körper.. und hatte auf einmal ein ziemlich Ungutes Gefühl. Auch für junge Grafen war es nicht die Uhrzeit, um in London allein unterwegs zu sein..
Es sagte etwas..rief ihr hinterher! Ein weiterer Grund Vorsicht walten zu lassen. Lily verstand nicht genau was er sagte, aber eigentlich war es ihr auch egal. Zu oft sprachen sie Männer an, seit sie hier in der Stadt war, vorallem am Anfang wo noch Schminke ihr Gesicht zierte und sie nicht gar so dünn war. Denn abgenommen hatte sie, das wusste sie selbst. Aber sie brachte es einfach nicht über sich mehr zu essen, wenn sie sah, dass Luke sich auch zurück nahm, vorallem wenn wenig da war. Der billige Wein und anderer Alkohol den sie zudem trank tat sein übriges, Lilys Schönheit hatte etwas gelitten. Blass war sie, die Wangen etwas eingefallen, Augenringe. Doch als der Mann ihr doch folgte, zumindest dachte sie dies ja, da hob sie den Prügel hoch und schlug einfach zu, ohne zuvor zu fragen. Lily erwischte ihm am Kopf, knapp über dem Auge. "Lass mich in Ruhe du.. Mistkerl!" rief sie und hob das Ding wieder, um ihn zu schlagen
"Verdamm mich, hast du sie noch alle?" Zugegeben, das klang nicht nach den Worten eines Lords, aber der Hieb tat schrecklich weh. Kurz war ihm schwarz vor Augen geworden und dann fand er sich auf dem Boden wieder. Er rappelte sich rasch wieder auf und bekam gerade noch so das Handgelenk der Frau zu fassen. "Was hab ich getan? Was willst du? Ich habe kein Geld bei mir..!"
Sie hatte ihn wirklich gut erwischt, auch wenn er zum Glück nicht zu der bulligen Sorte gehörte. Jetzt stellte er erstmal keine Gefahr mehr da! Doch dann fing er an zu fluchen und faselte etwas von Geld. Wieso denn Geld? Sie wollte kein Geld sie hatte nur angst gehabt! Doch was viel schlimmer war: Er hatte ihr Handgelenk umklammert. "Lass mich los du perverser Dreckskerl!" schrie sie ihn an und versuchte sich loszureißen. "Ich will dein Geld nicht, ich will nur nicht, dass du mit mir anstellst, was du mit den anderen Mädchen angestellt hast!" Sie hatte wirklich Angst.. und wollte alles aber nicht angefasst werden. Das Holz hatte sie fallen lassen, also.. schlug sie mit der Hand noch einmal zu, traf ihm am anderen Auge. Sicher würde es etwas blau werden. Er ließ sie los, doch so überraschend, dass sie erschrocken rückwärts hinfiel.
Andrew blinzelte. Er spürte, wie sein Gesicht anschwoll. Miststück. Das kam davon, wenn man anderen Leuten helfen wollte.. "Ich und dir Geld geben.. warum sollte ich?" Abfällig klang es, wie er das sagte. "Freundliche Menschen sind in London wohl nicht gern gesehen.." Trotzdem stellte er das Mädchen wieder auf die Füße. "Wehe, du scheuerst mir noch eine. Ich geh schon. Das sind Zustände hier.." Und er schimpfte über die Stadt, die Leute.. "Schon mal was von Camebridge gehört? Nahezu zivilisiert im Gegensatz hier zu!"
Etwas überrascht ließ Sie sich auf die Beine ziehen und sah ihn an Es war dunkel in der Gasse aber irgendwie kam ihr etwas an ihm bekannt vor. Als er dann schließlich von Cambridge sprach, da wusste sie es. Sie wusste, wer er war, was er so machte, wie er sich bewegte... Kaum zu glauben, dass sie es erst jetzt sah! "Ich hab davon gehört, ja. Soll ein rattenversäuchtes Nest sein, mit einem Lord, dessen Sohn sich in Kneipen herumtreibt und mit Hüten verkehrt." Sie musste sich unglaublich zusammenreißen nicht zu lachen.