George ließ die Hände sinken und tat einen Schritt zurück. "Das ist jetzt nicht dein Ernst." Mehr brachte er nicht heraus. Er stand nur da und sah erst sie an, starrte dann auf seine Hände, ihre weißes Kleid, wieder in ihr Gesicht. "Du bist also hier her gekommen, um mir das zu sagen, ja?" Er war verletzt; natürlich.
"nein ich..ich hab mir auch Sorgen gemacht.. wirklich!" eine einsame Träne kullerte über ihr Gesicht "aber George.. was hattest du..denn gedacht? Dass wir irgendwann heiraten`? und dann? ..wo sollen wir denn leben? wir würden verhungern.. Ich kann doch nichtmal kochen." meinte sie leise
Was er denn gedacht hätte? Was sollte er schon denken? Er, dessen Lohn pro Monat mal 12 nicht einmal annähernd den Wert ihrer Schuhe, geschweige denn ihrer Kette, dem ganzen Stoff nahe kam? Er, der in den Tag hineinlebte, träumte, anstatt sich etwas aus Ernst und Politik zu machen? Liam passte doch gar nicht zu ihr. Der Mann war so ernst, so melancholisch.. Er presste die Lippen hart aufeinander, während er ihrer schönen Stimme lauschte. Es tat noch mehr weh, weil sie so vor ihm stand, wie sie es eben gerade tat - strahlend weiß, hübsch gebürstet und gestriegelt, ja sogar Rouge hatte sie auf den Wangen. Und ihre Stimme, so süß, so lieb so.. All das, was er für sich in Anspruch genommen hatte; all das, was sie ausmachte, sie selbst.. gehörte jetzt also zum jungen VanBrook. "Liebst du ihn denn wenigstens?" Seine Hände hatten ihren Platz in seinen Hosentaschen gefunden.. er hätte sonst nicht gewusst, wohin mit ihnen. haareraufen, falten, übers Gesicht fahren, im Nacken verschränken? Nein. Am Besten gar nichts.
"Ich weiß es nicht.. gestern dachte ich es.. Ich liebe ihn auf jeden Fall.. wie einen Bruder, aber ich glaube auch mehr." aber irgendwas sagte ihr, dass sie George mehr liebte. Irgendwas in ihr war zerbrochen und die Splitter gruben sich tief in ihr Herz. Sie fühlte es.. sie schüttelte langsam den Kopf und begann erneut zu sprechen "Ich sag dir doch..ich bin kein guter Mensch. Ich verletze die Menschen, die ich liebe.. und das nur weil ich ein verwöhntes dummes Balg bin, dass nicht auf Puder und Haarspangen verzichten will"
Er grinste matt. "Alice Charches, du weißt nicht was du willst. Das wusstest du noch nie." George wischte sich über das Gesicht, vielleicht auch, um zu verbergen, dass seine Augen ein wenig feucht geworden waren. "Na dann mal schnell zurück ins warme, saubere und duftende Haus." Er wandte sich bereits halb von ihr ab, kickte einen Kiesel zur Seite. "Und wenn dir mal nach Abwechslung ist.. du weißt ja, wo ich wohne." Die letzten Sätze klangen sanfter, versöhnlicher aber auch viel verletzlicher als die davor. Er wollte nicht mehr um sie kämpfen. Das tat er, seit sie sich kannten. Aber aufgeben wollte er sie auch nicht.
"Warte..Ich..ich hab etwas für dich" meinte sie zaghaft, denn diesen Schritt hatte sie nicht überlegt, auch wenn sie jeden einzelnen durchgegangen war. Ihre Finger strichen die blonden Locken aus dem Nacken und sie löste eine Kette. Es war keine große, edle Kette, wie die junge Miss sie sonst gerne trug, es war ein schlichtes Stück, dass sie allerdings nie abgelegt hatte, seit sie in England war. Stuart hatte es ihr geschenkt, als er ihr einmal mehr die Geschichte von Eliza und Stuart erzählt hatte, und von der Herzkette. "Ich hab ein..Andenken für dich." sie nahm seine schmutzige Hand in die ihre und legte die Kette hinein. "sie bedeutet mir viel... also bitte verlier sie nicht." http://www.designer-schmuckwelt.de/image...mages/313_0.jpg
George biss sich auf die Lippen, als er eine Faust um das Schmuckstück schloss. "..als ob ich dich jemals vergessen würde.", murmelte er tonlos. "Danke.", schob er der Höflichkeit wegen aber noch hinterher.
sie nickte langsam. Es fühlte sich seltsam an, das Gewicht der Herzens nicht mehr auf der Brust liegen zu haben. Nicht dass es schwer gewesen wäre.. aber dennoch. "Ich..geh dann besser nicht war..?"
"Ja das..wäre wohl besser." Er drehte ihr jetzt vollkommen den Rücken zu, setzte sich in Bewegung. "Oh und richte Liam meine Glückwünsche aus. Endlich hat er das, was er sich immer gewünscht hatte." Die letzten Worte klang bissig, sarkastisch, feindseliger, als man es von ihm gewohnt war. Er drehte sich nicht nochmal um, er verabschiedete sich nicht. Nein; er ging und vermischte sich mit dem Rest des Hafens - den Menschen, dem Rauch, dem Ruß, der Trostlosigkeit. Wie konnte sie nur? Dummer, liebeskranker Hafenarbeiter. Alter Nichtsnutz.
"ich liebe dich." Er war schon weg..recht weit sogar, und es war nur ein flüstern, dass über ihre Lippen drang. Er sollte es nicht hören.. nein es war besser, wenn er es nicht tat. Langsamen Schrittes ging sie weg, weg vom Hafen und weg von George
Natürlich hörte er es nicht. Aber vielleicht war es besser so.. Denn was hätte er dann schon tun können? Sie anflehen, bei ihm zu bleiben? Auf Knie fallen und ihr einen Antrag machen? Mit ihr durchbrennen? Lächerlich. Sie hatte Liam geküsst. Alles tat weh beim Gedanken daran. Er hätte es gleich wissen müssen, nicht wahr? Und doch liebte er sie. Liebte er sie vielleicht noch mehr. Sein Herz war so dumm.
Liam saß derweil draußen auf der Terrasse und frühstückte, ein wenig in Sorge um Alice. Wo war sie? Nach gestern Abend war sie so verwirrt und.. Ja, sicher war sie bei George. Er seufzte bei dem Gedanken.
Wie lange war es her? wie lange saß sie schon hier? Sie wusste es nicht einmal mehr. Es roch nach Salz, nach Meer, auch wenn es keines war. und ihr Rocksaum war durchnäßt vom wasser, dass seit einiger Zeit die winzige Grenze überschritten hatte, die ihre Füße vom Nass getrennt hatten und so weit herausgekommen war, dass es ihre Füße berührte. Wenn draußen am Fluß ein Boot vorbei kam, dann dauerte es etwas bis die Wellen zu ihr schwabbten. Es war ein schönes Schauspiel. Ihre Locken waren schwer von dem leichten Nieselregen, der irgendwann eingesetzt hatte. Die Häärchen auf ihrem Handrücken hatten sich aufgestellt, aber es war ihr egal ob ihr kalt wurde. Sie wollte hier sitzen und zu Eis erstarren
Als der Regen stärker wurde, nahm Liam seinen Mantel und machte sich auf die Suche nach ihr. Am Hafen fand er sie ebenso wenig wie George, aber jemand hatte ihr weißes Kleid noch lebhaft in Erinnerung..sie wäre Richtung Wasser verschwunden. Also lief Liam runter zum Ufer der Themse; ein ganzes Stück, bis er den weißen Fleck auf grünem Gras entdeckte. "Alice!" Da sie auf sein Rufen nicht reagierte, lief zu ihr hinunter. "Alice was tust du hier? Du holst dir hier noch den Tod.." Es war in der Tat kühler geworden mit dem Regen und der Wind wehte forsch.
"Es riecht fast nach Meer" meinte sie etwa sehnsuchsvoll. Tatsache war, dass es eher nach nicht mehr ganz frischem Fisch roch, aber für sie roch gerade alles nur nach Meer.. nach Heimat und Stuarts Armen.
"Hast du Heimweh?" Sie wollte offensichtlich nicht aufstehen, also setzte er sich zu ihr, während er aus seinem Mantel schlüpfte, den er ihr dann um die Schultern legte.